Helmut Zierl: Follow the sun – Der Sommer meines Lebens 
Lesung am 24. Februar ab 20 Uhr im Kulturzentrum Martinskirche in Hoya 

Helmut Zierl – Follow the sun - Lesung in Hoya 

An den richtigen Stellen gelacht, an den richtigen Stellen geschwiegen – so lobte Helmut Zierl zum Ende seiner Lesung sein aufmerksames Publikum. 

Mit seinem Buch Follow the sun nahm Helmut Zierl am Samstag im Kulturzentrum Martinskirche die gut 70 Zuhörer mit auf eine Zeitreise ins Jahr 1971. Erst 16-jährig von der Schule und daraufhin sofort auch von zu Hause rausgeflogen macht sich Zierlchen, wie ihn sein Direktor trotz allen Fehlverhaltens immer noch nennt, mit etwas Geld in der Tasche auf eine Sinnsuche, die er fast nicht überlebt.  

Aus Sorge, die Erlebnisse dieses Sommers vielleicht irgendwann zu vergessen, schreibt Zierl sie auf. Fast zehn Jahre arbeitet er daran. Immer wieder erfordert die Schwere der Erinnerungen Pausen. Schlussendlich widmet er sie „all den Zerbrochenen, Liegengebliebenen, Gestrandeten“. 

Völlig im Recht und von den Erwachsenen übel verurteilt sieht sich Zierl, als er seinen Heimatort verlässt und sich ohne konkretes Ziel per Anhalter auf den Weg macht. Über Brüssel, wo er „endlich Freiheit“ erlebt, Antwerpen und Ostende landet er schließlich im Mekka der Blumenkinder: Amsterdam. Er erlebt die Unappetitlichkeiten des Lebens auf der Straße ebenso intensiv wie die junge Liebe. Er verdient Geld als Straßenmusiker, später als Roadie. Das Angebot, als Stricher zu arbeiten, lehnt er ab. Zierl erlebt den dramatischen Selbsttod eines Clochards, die Verlogenheit einer Sekte, aber auch Freundschaften. Der Handel mit gefälschten Luxusuhren führt zu einer Morddrohung gegen ihn; er muss fliehen. Die einzige Konstante in diesen Wochen scheinen die Drogen zu sein, Haschisch und LSD. Zu Hause ist weit, eine andere Welt. Nur selten meldet er sich und dann auch nur ganz kurz auf dem Anrufbeantworter. Die Warnung eines völlig Fremden „Fahr nach Hause! Du stirbst auf der Straße!“ und das Geld für die Heimfahrt weist er von sich. Er weiß es besser.  
In einer Fixer-WG in Amsterdam steht er dann nur wenige Wochen später gerade knapp vor dem kompletten Absturz, als er den Tod einer jungen Frau durch eine Überdosis Heroin miterlebt. Das ist der Moment, der ihn aufrüttelt und erkennen lässt: „Ich bin gescheitert. Die Hippie-Welt ist gescheitert.“ Er wollte nur noch nach Hause. 

Sein Schicksal mag kein Einzelfall gewesen sein und sich häufig genug auch ohne guten Ausgang abgespielt haben. Dennoch oder vielleicht gerade deswegen scheint beim Zuhören die Beklemmung fast zum Greifen spürbar, wenn Zierl pointiert formulierte Passagen liest, Zusammenhänge durch Erläuterungen ergänzt und dabei nichts beschönigt. 

Warum er sich mit Mitte 60 geoutet und seine Geschichte veröffentlicht habe, wurde er schon gefragt. Und ob er sich keine Sorgen um sein Image mache. Nein, sagt er, diese Meinung anderer Menschen sei ihm völlig wurscht. Und er habe als Schauspieler alle Genres bespielt. Der Sunny-Boy sei hängengeblieben, da schade offenbar auch kein Buch. 

Über das Ende seiner dreimonatigen Auszeit zu lesen – das extrem emotionale Wiedersehen mit den Eltern, so viel verrät er – das überlässt Zierl den Zuhörern, bevor er sich unter großem Applaus verabschiedet. 

Der Kulturkreis Grafschaft Hoya freut sich über einen wieder mal gelungenen Abend.